Kunstmarktmechanik

In den verschiedensten künstlerischen Genres erreichen uns gewaltige Erfolgsmeldungen: zuletzt erzielte ein Klimt-Gemälde den Rekordpreis von 105 Millionen Dollar, Karten für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker werden zu Höchstpreisen verlost, das Schloss Schönbrunn zählt mittlerweile zu den profitabelsten Beteiligungen der Republik Österreich. Gleichzeitig kämpft offenkundig die Mehrzahl produzierender wie auch reproduzierender Künstler·innen ums Überleben, klagen Kunstanbieter wie Theater, Museen oder Kinos über geradezu ruinösen Besucherschwund und sich daraus ergebende Verluste. Wie passt das alles zusammen?

Grundsätzlich funktioniert der Markt für den Erwerb von Kunst unterschiedlichster Art, die Konsumtion von Musik oder darstellender Kunst aber auch für die Besichtigung von künstlerisch wertvollen bzw. künstlerisch attraktiv ausgestatteten Gebäuden wie jeder andere Marktplatz auch. Es gibt einerseits ein mehr oder minder begehrtes Angebot und andererseits mehr oder weniger Interesse von Kund·innen dieses aufzugreifen sowie deren Bereitschaft, dafür auch entsprechend Geld auszugeben. Wobei es dem Markt als solchem völlig egal ist, ob jemand eine Kinokarte um 10 Euro oder das Gemälde „Salvator mundi“ von Leonardo da Vinci (oder doch nicht?) um immerhin 400 Millionen Dollar kauft.

Wie aber kommt es in all diesen Fällen zur Preisbildung? Wer oder was bestimmt den Wert eines künstlerischen Angebots? Eine Objektivierung ist hier kaum möglich. Wie bei anderen Produkten ist die Verknappung auch bei Kunst ein möglicher Preistreiber. Der 1918 verstorbene Gustav Klimt kann beim besten Willen keine neuen Werke generieren; es können durch Zerstörung oder Verlust nur weniger werden. Wie bei der Flasche Wein eines bestimmten Jahrgangs, für den manche auch mehrere zigtausend Euro zu zahlen bereit sind. In der Musik, beim Theater oder Tanz sind es bestimmte Interpret·innen oder Inszenierungen, die man vielleicht unbedingt noch live erleben will. Diese Aspekte können zu beachtlichen Preistreibern werden.

Ähnlich funktioniert die Sache mit der Exklusivität, mit der Zuordnung besonderer Qualität. Durch entsprechende Marktarbeit (Marketing) werden bestimmte Werke oder Künstler·innen als besonders herausragend dargestellt und damit potenziell als hoch- bzw. höherwertig wahrgenommen. Daraus ergibt sich das Faktum, dass für oft objektiv kaum differenzierbare Angebote völlig unterschiedliche Preise erzielt werden können. Als Beispiel dieser Facette des Kunstmarkts kann der „Mann mit dem Goldhelm“ dienen: solange dieses Bild Rembrandt zugeschrieben wurde war es ein Vielfaches wert wie nach der Feststellung, dass es wohl „nur“ von jemand aus seinem Umfeld gemalt worden ist. Dies, obwohl sich das Werk selbst in keiner Weise verändert hat.

Neben dem „freien“ Markt gibt es bei Kunstangeboten auch einen breiten, politisch gestalteten Sektor. Dem Postulat folgend, wonach Kunst zweifelsfrei für uns ein Lebensmittel darstellt, fühlt sich die Gesellschaft (als Steuerzahlergemeinschaft) völlig zurecht verpflichtet, auch weniger betuchten Bevölkerungsschichten den Zugang zu künstlerischen Angeboten zu bieten. Und man ermöglicht auch Künstler·innen verschiedenster Provenienz durch Ankäufe, Stipendien oder Subventionen von ihrem künstlerischen Schaffen bzw. ihren künstlerischen Aktivitäten zu (über)leben.

Dies kann auf dreierlei Art passieren:

  • Künstlerinnen (produzierend wie reproduzierend) werden direkt gefördert, um im jeweiligen Marktsegment zu in diesem erzielbaren Preisen anbieten zu können
  • Institutionen, die auf unterschiedlichste Weise Kunst anbieten, werden subventioniert, um trotz an sich höherer Produktionskosten wiederum in der Lage zu sein zu Preisen anzubieten, die auf Konsumentenseite auch leistbar sind
  • Konsumentinnen erhalten über individuelle Direktförderung (Gutscheine, etc.) oder spezielle Berechtigungen die Möglichkeit künstlerische Angebote zu konsumieren, die sonst für sie nicht bezahlbar wären

Alle diese technischen Rahmenbedingungen der „Kunstmaschinerie“ zusammen genommen erlauben uns, auf das im Normalfall als ganz selbstverständlich wahrgenommene Kunstangebot zuzugreifen, ermöglichen unseren individuellen Kunstgenuss. Kaum jemand hinterfragt je diese Hintergründe, wenn er ein Bild kauft oder ins Theater geht. Ist auch gar nicht notwendig; es genügt, wenn sich die betroffenen Kunstschaffenden, Politik und Verwaltung darüber den Kopf zerbrechen. Aber manchmal ist es ganz heilsam sich vor Augen zu führen, welche Vorgänge im Kunstmarkt vor sich gehen, bevor ein Kunstwerk verkauft wird oder sich irgendwo der Vorhang hebt.

Und wie sehen Sie das?

FORUM

5 Kommentare
  1. Univ.-Prof. Dr. Dr. Gerhard E. Ortner sagte:

    Kunst ist ein Angebot eines Lebewesens vom Typ „Mensch“ an andere: „Seht her, was ich geschaffen habe: ein KunstWerk! Nehmt es wahr und nehmt es an.
    So wie mich, den Künstler, die Künstlerin!“. Das Angebot kann ein Objekt oder ein Idee sein, die Folgen hat.
    Der KunstMarkt handelt mit Eitelkeiten. Wer KunstWerke kauft, um sie zu besitzen, will andere ausschließen können. Er will seine Macht zeigen. Das ist sein Wert des KunstWerkes.
    Der wird auf den KunstMärkten verhandelt.
    Dort lobt jeder KunstHändler seine KunstWerke.
    Er beschwört den Wert der Freiheit der Kunst.
    Dem AnlageBerater reicht der MarktWert.
    Wer befreit zu denken gelernt hat, fragt sich:
    Warum soll sich „der Staat“, also kein Lebewesen höherer Ordnung, sondern das RegelWerk unserer Gemeinschaft, damit befassen müssen? Wenn die Personen, also die LebeWesen mit entwickeltem Bewusstsein, KunstWerke und der Menschen, die diese hervorbringen, nicht akzeptieren, warum muss sich „der Staat“ darum kümmern? Ist er im Besitz höherer Wahrheiten? Weiß er besser um den Wert von KunstWerken Bescheid? Wer er, was schön, wahr und gut ist?

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  2. Dr Christian Prosl sagte:

    Danke für den interessanten und gut lesbaren Artikel. Interessant wäre es in diesem Zusammenhang, näher auf die besondere Rolle der Galeristen einzugehen. Die positive Seite deren Tätoigkeit ist ohne Zweifel das Aufspüren neuer alter oder neuer neuer Künstler, die in ihrer Besonderheit präsentiert und so dem Markt zugeführt werden. Negativ sind allerdings die Manipulationen, die damit verbunden sind bzw. sein können. Ein Künstler, der „entdeckt werden will“ zahlt für eine Ausstellung, der Galerist behält mindestens 50% jedes verkauften Werkes. Sind Galeristen grundsätzlich käuflich und bereit, für Geld „jeden“ Künstler zu vermarkten? Glauben sie an die Künstler, die sie berühmt „machen“? Wer spielt da überall mit? Ich verweise auf Berichte über Literaturwettbewerbe oder Musikwettbewerbe, wo so manches im Argen liegt (und etwa Künstler , die „man“ sich vorher ausgemacht hat, mit Preisen bedacht werden, ohne dass sich die Jurymitglieder tatsächlich mit deren Werken auseinandersetzen…). Die Grundfrage heißt also: Wie ehrlich meinst Du es mit der Kunst?
    Mit besten Grüßen,
    CP, ein Kunstliebhaber

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  3. PS sagte:

    Wenn man von einer breitgefächerten Definition von Kunst ausgeht, geht der Kreis jener, die ihrer als wichtiges Nahrungsmittel für Geist und Seele bedürfen, sicher über elitäre Minderheiten hinaus. Auch scheint das Postulat dahingehend stimmig, als Geschmäcker natürlich individuell unterschiedlich sind und es durchaus auch Unverträglichkeiten gibt. Für den Kunstbetrieb und den Erhalt künstlerischer Angebote ist die Feststellung, dass Kunst in jedem Fall ein menschliches Grundbedürfnis abdeckt, eine wichtige Rechtfertigung für deren Förderung durch die Gesellschaft. Allerdings stimmt auch, dass diese Redewendung zuletzt immer häufiger einfach als zeitgeistige Floskel verwendet wird.

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  4. miguel herz-kestranek sagte:

    das postulat, „wonach kunst zweifelsfrei für uns(?) ein lebensmittel darstellt“, ist eine durch nichts auch nur annähernd bewiesene eliten- bzw. minderheitenbehauptung, und wird hiemit angezweifelt.

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    • Dr Christian Prosl sagte:

      Aber jede Kultur bringt Kunst hervor (bewußt oder unbewußt bei „primitiver Kunst“!) – insofern ist Kunst offensichtlich ein Lebensbedürfnis. Das ist aber zu unterscheiden von dem „Lebensmittel“ für den kaufenden „Kunstfreund“. Er wird bei Entzug nicht verhungern…

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Peter Schneyder