Erfolgsfaktor Kultur

Sucht man im Internet nach dem Begriffspaar „Erfolg“ und „Kultur“, so finden sich fast ausschließlich Hinweise auf „Unternehmenskultur“. Verwunderlich, da ja auch abseits aller wirtschaftlichen Gefilde unsere Herangehensweise an eine Sache oder – viel mehr noch – die Art und Weise unserer Kommunikation auf allen Ebenen erwiesenermaßen darüber entscheiden, ob wir ein angestrebtes Ziel erreichen. Fakten und Inhalt sind das eine, deren Präsentation und Transport das andere. Der materielle Vorteil muss schon sehr groß sein, dass wir schlechte, unpassende oder gar ungebührliche Begleitumstände zu akzeptieren bereit sind. Das ist ein kulturelles Grundgesetz: „Wie“ sticht „Was“.

Natürlich ist etwa das Scheitern von Fusionen großer Konzerne – die rein von Zahlen und Formalkriterien her geniale Vorteile bringen sollten – an unüberwindbaren Differenzen in der zitierten Unternehmenskultur, ein besonders plakatives Beispiel für diese Erkenntnis. Aber warum denn, trotz valider Berechnungen? Weil auch in den größten Firmenkonglomeraten erfreulicher Weise nach wie vor Menschen agieren. Und zwar nicht nach Schema F und vorausberechenbar, sondern höchst individuell und von verschiedensten Befindlichkeiten sowie „weichen“ Faktoren in ihren Entscheidungen beeinflusst.

Mittlerweile mussten auch die ignorantesten Manager erkennen, dass man die Leistung von Mitarbeiter·innen nicht wie bei einer Maschine kaufen kann und man nur einfach aus dem Heer Arbeitsuchender auswählen muss, sondern dass ein besonderer Umgang erforderlich ist, um Personal überhaupt zu bekommen und dann auch länger zu halten. Weil spätestens „MeToo“ gezeigt hat, dass Machtmissbrauch in Hierarchien Grenzen haben muss. Das nächste kulturelle Phänomen am Arbeitsmarkt ist nun, dass potenzielle Arbeitskräfte nicht mehr bloß durch mehr Geld motivierbar sind, sondern Wert auf eine ihnen passende „Work-Life-Balance“ legen. Also müssen sich Unternehmen zwingend mit Kulturfragen beschäftigen. Auch abseits von Geldprämien und Betriebsausflügen.

Kommen wir ins Private. Persönliche Beziehungen sind in ihrer Qualität auch dort, wo sie etwa durch Verwandtschaft vorgegeben sind, fast ausschließlich davon abhängig, ob „die Chemie stimmt“. Da sprechen wir noch gar nicht von den Unwägbarkeiten des Verliebens, das ja bekanntlich für oft von Dritten erkenn- oder zumindest vermutbare Problemfaktoren schlicht blind macht. Plötzlich ist alles nur mehr Kultur; und meine ganz persönliche Art zwischenmenschlicher Kommunikation entscheidet über den Erfolg. Da kann man durchaus bei den vorgenannten Beispielen anschließen, wenn man auch eine Familie völlig korrekt als Unternehmen betrachtet.

Bei der Teilnahme am sogenannten „kulturellen Leben“ kommen weitere Facetten hinzu. Egal ob Kirchenchor, Feuerwehr, Blasmusik oder Sportverein: da geht es überall um eine Form gemeinschaftlichen Wirkens, um aktive Kulturarbeit. Aber natürlich sind auch passive Konsument·innen künstlerischer oder kultureller Angebote hier unverzichtbar zuzuordnen. Schließlich sind meine Besuche im Konzertsaal oder im Stadion deutlicher Ausdruck von individueller kultureller Befindlichkeit. Den Erfolg messen da wie dort Freude am Tun und/oder Erleben, Genugtuung über die erbrachte Leistung (aktiv wie passiv), Applaus oder mediale Resonanz. Wodurch klar wird, dass es bei Kultur natürlich immer auch um Liebe und Lob als Erfolgsfaktoren geht.

Da Politik aufgrund ihres ausschließlichen Bezugs auf die jeweilige Gesellschaft und damit unsere grundsätzliche Lebensweise im Kleinen wie im Großen in jedem Fall Kultur-Politik ist, beschäftigen wir uns täglich – gewollt oder ungewollt – mit deren Erfolgsrezepten. Da wird die Dominanz des „Wie“ über das „Was“ besonders deutlich. Einerseits ein geradezu unüberschaubarer Kosmos oft nicht nachvollziehbarer Befindlichkeiten diversester Akteure und Interessensgruppen. Andererseits eine Tatsachen negierende Moderation in der Bandbreite von beschwichtigender Verweigerung bis zu kreischendem Alarmismus. Jede und jeder auf der politischen Bühne versucht auf eigene Art Erfolg zu haben. Und wir, das Wahlvolk, kommentieren das alles kritisch und entscheiden uns dann doch vielleicht für eine überhaupt inhaltsleere Randgruppierung. Als mehr oder minder überlegte Teilnahme am politisch-kulturellen Leben. Oft nur, um – unabhängig von ideologischen oder moralischen Fragen – Teil einer erfolgreichen Partei zu sein. Obwohl gerade hier meine Willensäußerung auch Verantwortung bedeutet oder zumindest bedeuten sollte.

Es muss uns klar sein, dass letztlich in allen Lebensbereichen die Art wie wir etwas tun über Erfolg oder Misserfolg dessen entscheidet, was wir tun. Weil ohne Kultur is gar nix.

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Liebe Kulturbeflissene,

allenthalben wird auf Lesestoff für Urlaubende verwiesen. Da wollen wir nicht nachstehen und bieten Ihnen eine pointierte Abhandlung über die Befindlichkeiten der österreichischen Seele an. Viel Vergnügen und entspannten Erkenntnisgewinn!

Auch heiße Tage sollten nicht daran hindern, unter Interesse? unsere POSITIONEN zu abonnieren. Alle Kunst- und Kulturaffinen unter Ihren Freunden und Verwandten sind herzlich willkommen. Auch ein E-Mail genügt.

Kulturarbeit und/oder -konsum bedeuten erfülltes Leben. Einschließlich Lesen und Nachdenken im stillen Kämmerlein. Aber es ist ebenso zu bedenken, dass auch Kulinarisches wie Geselliges dazugehören, wenn es um einen erfüllenden und vor allem erfolgreichen, persönlichen Kulturfahrplan geht.

 

Peter Schneyder