Was bedeutet (mir/uns) Kunst?

Kommen wir einmal von der distanziert-abstrakten Sicht der (Kunst)Welt zur täglich gelebten Praxis im Umgang mit Kunst, werden wir persönlich: Welchen Stellenwert hat Kunst für mein und in meinem Leben, welchen für uns als Gesellschaft? Schafft Kunst Sinn im sinnlosen Treiben um uns? Kann sie das überhaupt und wenn ja, wie? Nützen wir die allzu laute Stille ringsum als Gelegenheit, einmal gängige Plattitüden zu hinterfragen, als Motivation, um zu prüfen, wie wir mit Kunst umgehen; meist ohne uns das bewusst zu machen.

Zum Einstieg eine ganz banale Übung. Was hängt bei mir an der Wand? Das Bild eines mehr oder minder berühmten Malers im Original, vielleicht auch ein selbst geschaffenes, eine Kinderzeichnung, ein Faksimile, ein Kunstdruck, Fotos, ein Teppich, ein Plakat? Und vor allem: Warum wurde das alles appliziert? Um mich daran zu erfreuen, um meiner Seele Gutes zu tun, weil ich mich in einer entsprechend gestalteten Umgebung wohler fühle, um Gästen etwas zu präsentieren oder diese zu beeindrucken? Schon zeigt sich, dass Kunst und kreative Gestaltung uns selbst im Privaten täglich betreffen oder betroffen machen. Schließlich hängt kaum jemand etwas irgendwie auf; oft benötigt man Stunden und Tage, um für ein wie immer geartetes Objekt die optimale Position finden.

Vertieft man diese Betrachtung, gelangt man rasch zum eigenen Körper. Was hängt um meinen Hals oder an meinen Ohren, was steckt an Armen und Fingern, wie sieht es mit Tattoos oder Piercings aus? Ist sich schmücken an sich nicht ein ganz persönlicher künstlerischer Akt, eine Form täglicher, individueller und auch immer neuer Performance-Art? Muss es da um Kunst oder zumindest edles Kunsthandwerk gehen, das meinen Körper ziert? Oder ist das Was nur im Hintergrund und das Wie der Komposition dieser Elemente an mir selbst dabei das Wesentliche? Wahrscheinlich haben wohl die wenigsten unter uns je an Kunst gedacht, wenn sie täglich an ihrem Erscheinungsbild arbeiten.

Gehen wir außer Haus, so sind wir rundum mit Kunst konfrontiert, selbst wenn wir das nicht bewusst wahrnehmen, vieles nicht als Kunst begreifen würden oder wollen. Was passiert in und mit mir, wenn ich an einer prächtigen Kirche, am historischen Rathaus, einem Denkmal oder einem mit Plastiken geschmückten Brunnen vorbeigehe? Regen mich Graffiti auf oder sind sie mir egal? Was bedeuten mir die Werke oder Darbietungen von Straßenkünstlern? Lösen künstlerisch gestaltete Bahnstationen oder Wartehäuschen bei mir ein positives Gefühl aus oder glaube ich, dass ein 08/15-Kasten auch genügt hätte und hier nur Steuergeld verschwendet wurde, um darbenden Architekten und Baukünstlern einen öffentlichen Auftrag zuzuschanzen? Es ist also offensichtlich schlicht nicht möglich die eigene Wohnung zu verlassen, ohne zwangsläufig buchstäblich an jeder Ecke über Kunst oder Künstlerisches zu stolpern.

Jetzt erst kommen wir zum gezielten Konsum von Kunst. Auch da fangen wir beim Unbewussten an; oder denken Sie immer an Kunst, wenn Sie ein Buch lesen? Klassisch natürlich der Besuch von Museen oder Galerien, von Konzert, Oper oder Theater. Dann wird es schon schwieriger. Etwa bei der Kochkunst, vielleicht noch gepaart mit Zirkuskunst. Die Besichtigung architektonischer Meisterwerke vor allem im Urlaub hat ja wohl auch mit Kunst zu tun. Wie ist das bei unterschiedlich gestalteten Gärten? Ab wann sind sportliche Darbietungen Kunst, etwa eine Vorführung der Spanischen Hofreitschule in Wien? Wieder so ein breiter Bereich, der zweifellos voller Kunst ist, obwohl das nicht immer gleich augenfällig ist.

Bleibt die aktive Beschäftigung mit Kunst. Vom Kauf eines Kupferstichs über die Sammlung von Kunst bis zur Präsentation derselben in dafür speziell geschaffenen Räumen. Musizieren klassisch, in der Pop-Band, bei der Blasmusik oder im (Kirchen)Chor. Da ist schlicht überall Kunst drin. Selbst wenn ich nur für mich im stillen Kämmerlein einen Roman schreibe oder ein Bild male ist das – völlig unabhängig von der Qualität des Geschaffenen – doch in jedem Fall eine künstlerische Betätigung.

So, und jetzt soll noch jemand behaupten, dass ihn Kunst nicht interessiert, er diese nicht braucht und es daher auch keine gesellschaftliche (also politische und kulturelle) Aufgabe wäre, sich mit Kunst und ihrer Förderung zu beschäftigen. Bei allen Unschärfen bei der Einordnung als und Akzeptanz von Kunst bleibt das Faktum, dass es schon an der Wiege der Menschheit nachweislich das Bedürfnis künstlerischer Entfaltung gab und wir heute permanent mit Kunst konfrontiert sind, ganz selbstverständlich mit Kunst leben und uns auch selbst ständig – bewusst oder unbewusst – künstlerisch betätigen. Das sei all jenen ins Stammbuch geschrieben, die der zugegebenermaßen mittlerweile inflationär gebrauchten Feststellung, dass Kunst ein Lebensmittel ist, den Wahrheitsgehalt absprechen wollen. Oder wie sehen Sie das?

FORUM

2 Kommentare
  1. Gunar Letzbor sagte:

    Im zarten Alter von 16 Jahren machten wir, Schüler des Linzer Musikgymnasiums, eine Aktion im Hof des eben eröffneten Kulturzentrums Ursulinenhof.
    Eine Leiter, ein Kübel, ein Pinsel, ein Maler in Malerkleidung der eifrig den an diesem Tag blauen Himmel mit Luft aus dem Kübel anmalte.
    Ein möglichst echtes „Radioteam“ interviewte Vorbeikommende und stellte die Frage – Ist das Kunst?
    Die beeindruckendste Antwort: Jo, do kunst narrisch werden!

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  2. Mag. Grete Wildhaber sagte:

    Was ist Kunst?

    Kunst wird oft als Wort genannt,
    was sich darin verbirgt?
    des Werkes Schöpfer oft bekannt,
    s’hat seinen Ruhm bewirkt!

    – [ ] Kunst wird immer dann entstehen,
    wenn Überhöhung ist im Spiel!
    Ein Werk mit neuem Geist versehen,
    das dem Empfänger gut gefiel!

    Auch Klasse, Stil, gehören dazu,
    um in diesen Kreis zu kommen!
    Sind sie dem Werke ganz tabu,
    wird „ Kunst“ als Prädikat genommen!

    Die Technik eines tollen Stücks
    läßt immer sich bezeichnen!
    Auf Kenntnis führt man sie zurück,
    s‘gibt Vieles zu vergleichen!

    Gibt es Kriterien dafür,
    was man als Kunst bezeichnen kann?
    Reicht denn ein gründliches Gespür,
    urteilt man glaubhaft dann?

    Erkennt man Kunst nur durch Erfahrung?
    Muss man gebildet sein davor?
    Vielleicht gibt Herzensbildung Nahrung-
    oft hilft dabei ein Teil Humor!

    Wer ist der Mensch denn, der erklärt,
    dies Werk ist Kunst und jenes nicht?
    Hat seine Meinung sich bewährt,
    weil aller Ansicht sie entspricht?

    Was ist nun Kunst- wer legt sie fest?
    Spricht Urteil über Existenz!
    Bemisst die Güte und den Rest,
    mit beispielloser Vehemenz?

    Der Antwort will ich mich enthalten-
    sollt sie doch immer eig‘ne sein!
    Geschmack für mich möcht‘ ich entfalten,
    Kunst legt man fest, durch sich allein!

    Grete Wildhaber

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