Willkommenskultur

Wanderer, kommst du nach Europa, so wird man dich freundlich empfangen. Sofern du zahlender Gast bist. Als Tourist, als Investor oder wenn du uns deine exklusiven, für uns relevanten Produkte bzw. Dienstleitungen oder deine besonderen Fähigkeiten zur Verfügung stellen willst und kannst. Schon Letzteres ist nicht immer ganz so einfach und in jedem Fall ist eine Grundvoraussetzung für deine Aufnahme die Sicherstellung, dass du nach deiner Leistungserbringung auch ja wieder weggehst. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so darfst du je nach Region einladendes Lächeln oder mürrischen Grant (den man dir etwa in Wien als spezielle, liebenswerte Eigenart verkauft) erwarten, man wird dich mit Angeboten überhäufen oder dir eine Fülle bürokratischer Hürden in den Weg stellen, damit du ja weißt, dass Europa wertvoll ist, weil das Hiersein bei uns eben teuer ist und auch einen beachtlichen Aufwand an Vorbereitungszeit und Beharrungsvermögen erfordern kann.

Allerdings gibt es natürlich auch Grenzen. Zuviel ist schlicht nicht erstrebenswert. Kulturelles Erbe oder exklusive Naturschönheiten zu besichtigen ist schön und gut, aber die müssen einfach geschützt werden und das mit Kameras bewaffnete Vordringen in private Wohnräume ist ja wirklich ein bissel steil. Also gibt es Zählkarten und Eintrittspreise. Und wenn das alles nichts nützt, zücken die von den lieben Gästen gequälten Einheimischen auch schon einmal ihre Spritzpistolen oder rufen nach der Polizei. Speziell wenn du nicht nur Souvenirs, sondern vielleicht Immobilien oder Firmenanteile kaufen willst kommt es sehr darauf an, von wo du herkommst, woher dein Geld stammt und ob man dieses und dich überhaupt haben will oder darf. Es muss eben klare Regeln geben, damit alles zufrieden und gesittet abläuft, oder?

Willst du bei uns arbeiten, so ist das für von außerhalb kommende Leistungswillige auch nicht wirklich einfach und streckenweise von nicht leicht nachvollziehbarer Widersprüchlichkeit: einerseits sehnen sich Unternehmen, Krankenhäuser oder Forschungseinrichtungen nach deiner Arbeitskraft und Qualifikation; andererseits tut man behördlicherseits alles, um dich daran zu hindern, diesen Sehnsüchten zu entsprechen. Hast du schon einmal versucht, einfach nur eine Aufenthaltserlaubnis oder gar eine Beschäftigungsbewilligung etwa in Österreich zu bekommen? Da braucht es einen ganz langen Atem. Da musst du nachweisen, dass du genug Geld für deinen Lebensunterhalt und auch eine Wohnung hast. Obwohl natürlich im Normalfall erst der künftige Lohn für dein Tun beides ermöglicht.

Noch schwieriger wird es, wenn dir der Sinn nach längerfristiger Ein- oder Zuwanderung steht. Schließlich muss man genau prüfen, wen man ins Land lässt, hier erlaubt zu arbeiten (wobei dabei das Paradoxon aufzulösen ist, dass man ohne entsprechende Genehmigung nicht arbeiten darf, ohne Nachweis einer Erwerbsarbeit aber keine Aufenthaltserlaubnis bekommt), wer gar die Segnungen des hiesigen Sozialsystems genießen darf und schon gar, wem – nach entsprechend jahrelanger Anwartschaft – der Erwerb einer Staatsbürgerschaft zugestanden wird. Wobei es für diese Vorgänge allerdings auch keine klaren Regeln gibt.

Besonders heikel ist die Sache dann, wenn du nur danach strebst deine wirtschaftliche Lage zu verbessern, die Sprache des Ziellands nicht beherrscht, über keine besonderen Qualifikationen verfügst oder nicht einmal schwere körperliche oder unangenehme Arbeit leisten kannst bzw. willst. Dann musst du schon sehr gute Gründe angeben können, um in Europa gelitten zu werden. Ist ja auch nicht ganz unverständlich, dass jene, denen es besser geht sich nicht einschränken wollen, nur um dir ein besseres Leben zu ermöglichen.

Nun könnte es auch sein, dass du gar nicht aufgrund einer der vorgenannten Motivationen zu uns kommst, sondern weil du in deiner Heimat durch Krieg, Repression oder Hunger deines Lebens nicht mehr sicher bist und dich und die Deinen vor der drohenden Vernichtung retten willst. Dann wirst du anderswo hin flüchten und natürlich – wenn überhaupt möglich – ein Wunschland wählen, in dem du eine Verbesserung deiner Lebenssituation erwarten darfst. Du kennst und verwendest das Zauberwort „Asyl“ und darfst hoffen, dass man deine Situation zumindest prüft, bevor man dich wieder wegschickt.

Jetzt bist du allerdings mit völlig konträrem Verhalten konfrontiert: Einerseits wird alles getan, um dich erst gar nicht ins Land zu lassen oder – sofern du es über die Grenze geschafft hast – dich möglichst rasch wieder loszuwerden. Zumindest wenn du nicht wirklich triftige Gründe angeben kannst, deren Missachtung zu einem Imageschaden für jene, die dich aufnehmen sollen oder müssen führen kann. Andererseits wirst du von anderen, die dir die Aufnahme ermöglichen wollen in vielfältigster Weise darin beraten, wie du vorgehen musst, um dies zu erreichen. Man gibt dir zu essen und zu trinken, sorgt für eine Schlafmöglichkeit oder auch für deine gesundheitliche Versorgung. Du wirst mit offenen Armen und „Willkommen“-Transparenten empfangen, wie wenn du schon sehnsüchtig erwartet worden wärst.

Aber leider ist in Wahrheit kein Flüchtling willkommen. Egal wo. Auch wenn manche das für eine positive mediale Berichterstattung oder für ihr moralisches Wohlbefinden suggerieren. Warum sollte das auch – unabhängig vom Verständnis für deine Notsituation und daraus resultierender Hilfsbereitschaft bzw. -verpflichtung – auch nur im Ansatz so sein?

FORUM

2 Kommentare
  1. Gerhad Erich Ortner sagte:

    WillkommensKultur, welch wunderbare Wortschöpfung. Bezeichnet sie doch die hohe Kunst, für Menschen, die zudringlich werden, die Arme weit zu öffnen und sie zur Brust zu nehmen, bis ihnen vor lauter lauterer Lust die Luft ausgeht. WillkommensKultur! Darf es nicht ein wenig weniger sein? Kunst wäre doch eine Möglichkeit. Vor der Esskultur kommt immerhin die Kochkunst.
    Die Kunst, mit unvermutet auftauchenden Unbekannten so umzugehen wie mit Altbekannten. Natürlich solchen, über deren Auftauchen man sich freut. Auch weil man weiß, dass sie spätesten um 11 wieder nach Haus gehen. Wir üben noch. Aber den Fleissigen gehört die Welt, auch in der Kunst.
    Also: Kommt zu uns und lasst euch durch unserer WillkommensKunst erfreuen, nein, verwöhnen.

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  2. Gunar Letzbor sagte:

    Genauso natürlich wie man seine Haustüre zusperrt, um seine Privatsphäre zu schützen, versperrt die Gesellschaft oder sagen wir der Staat die Grenzen, um unliebsame Gäste fern zu halten. Wer eingeladen ist, wird willkommen geheißen. Was soll an dem Verhalten schlecht sein? Wer Hilfe braucht, kann an die Tür klopfen und fragen., aber nicht durch das Fenster einsteigen und sich breit machen. Nach 2000 Jahren Christentum sollte es den Anklopfenden auch nicht so übel gehen, wie einst Maria und Josef.

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