Kunst für Alle

Was ist eigentlich alles „Kunst im öffentlichen Raum“, die für jede und jeden von uns mehr oder minder frei zugänglich erlebbar ist, uns erfreut oder vielleicht sogar Ärgernis ist? Generell wird in entsprechenden Definitionen interessanterweise die Architektur ausgeklammert, obwohl uns doch Bauten in ihrer Gesamtheit wohl am stärksten beeindrucken, wenn wir uns im öffentlichen Raum bewegen. Das betrifft auch spektakulär künstlerisch gestaltete Museumsbauten aus Gestern und Heute, Schlösser oder ob ihrer künstlerischen Wertigkeit unter Denkmalschutz stehende Wohn- und Funktionsbauten. Selbst Kirchen und andere Gotteshäuser finden sich nicht in dieser Kategorie, obwohl doch alle diese Gebäude uns augenfällig begegnen und gemeinhin als „künstlerisch“ wahrgenommen werden. Wir lernen: Baukunst ist im öffentlichen Raum derart dominant, dass sie nicht dazuzählt.

Dieses Ausklammern umfasst zwar auch Funktionsbauten mit künstlerischer Anmutung (von Eiffels Turm in Paris bis zur Schisprungschanze von Zaha Hadid am Berg Isel), aber schon „Wandgebundene Objekte wie Reliefs sowie Fresken und Sgraffiti“, Grabmäler oder Brunnen zählen etwa für die Stadt Wien dazu. Das wiederum führt uns zur speziellen Kategorie „Kunst am Bau“. Um in der Zwischenkriegszeit darbenden Künstlern Aufträge zu sichern wurde in mehreren Ländern und auch in Österreich beschlossen, bei öffentlichen Bauaufträgen für zumindest 1% des Gesamtaufwands Kunstwerke an oder bei den jeweiligen Objekten zu applizieren. Das gilt grosso modo auch noch heute. Zur Abgrenzung heißt es, dass diese zwar durchaus einen Bezug zum Bauwerk haben können oder sogar sollen, nicht aber eine Funktion – etwa Fassadengestaltung – haben dürfen. Versuchen Sie einmal beim Hundertwasser-Haus in Wien da eine Grenze zu ziehen.

Unumstritten ist, dass Denkmäler aller Art zur Kunst im öffentlichen Raum zählen. Die kann man mehr oder minder eindeutig in drei Kategorien einteilen: solche für Personen, jene die an Ereignisse erinnern sollen und spezielle, die einer Idee oder einem Thema gewidmet sind. Erstere gibt es seit der Antike und sie sind im Normalfall Statuen oder Köpfe der jeweiligen Persönlichkeiten. Das umfasst auch eine Reihe mythologischer Gestalten und manche davon sind Reibebaum und Anlass für Aggression. In jüngerer Zeit reicht da die Palette von gestürzten Leninstatuetten bis zum sinnlos beschmierten und derzeit sogar mit einer Gegeninstallation konfrontierten Denkmal für den durchaus verdienstvollen aber eindeutig antisemitisch agierenden Wiener Bürgermeister Lueger. Würde man generell heutige Maßstäbe an historische Persönlichkeiten anlegen, wären wir mit recht prickelnden Abwägungen konfrontiert: War der französische Nationalheld Napoleon ein genialer Feldherr und Staatenbildner oder ein brutaler Massenmörder und Kriegsverbrecher? War Karl Renner ein verdienstvoller Politiker oder ein deutsch-nationaler Wendehals? Die Beispiele machen deutlich, dass skulpturale Kunst in der Öffentlichkeit meist gar nicht als solche wahrgenommen wird, sondern hinter die dargestellten Charaktere tritt.

Bei den Denkmälern für Ereignisse dominieren Siegeszeichen. Ägyptische Obelisken oder römische Triumphbögen und ihre Nachfahren erzählen so gut wie ausschließlich von Schlachten oder Eroberungen. Ein trauriges Gegenstück sind die bei uns speziell in den ländlichen Gemeinden allgegenwärtigen, sogenannten „Krieger-Denkmäler“. Diese sind eigentlich Opfergedenksteine und meist in kaum als künstlerisch apostrophierbarer Qualität ausgeführt. Ebenso auf Grausiges verweisend aber im Normalfall von namhaften Künstlern gestaltet sind die diversen Pest-Säulen. Vielleicht gibt es ja bald einmal ein hochwertig gestaltetes Covid-Pandemie-Mahnmal.

Bleiben noch die ideellen Hinweiszeichen. Friedensmale (etwa jenes in St. Ulrich bei Steyr, 1977) verschiedener Art bis zu Nationaldenkmälern. Diese dienten in Europa vor allem der Demonstration von Wertigkeit und Beständigkeit des nationalen Gefüges im Zuge der staatlichen Neuordnung im 19. Jahrhundert; oft als „Ruhmeshallen“ konzipiert (der Heldenberg in Kleinwetzdorf im Weinviertel ist dabei ein Beispiel, wie man aus Gebietsverlusten einen Mythos machen kann). Auch religiöse Denkmäler unterschiedlicher Art haben natürlich einen ideellen Hintergrund und gehören daher in diesen Bereich.

Jetzt sind wir bei den rabiaten Formen „künstlerischer Eroberung“ angelangt. Vor allem Graffiti in aller Form und Qualität zeugen vom Bedürfnis mehr oder minder begabter „Sprayer“, Spuren auf Gebäuden oder Fahrzeugen, meist Bahn oder Bus, zu hinterlassen. Diese optischen Duftnoten können manchmal gewollt sein („Mural“), rangieren aber meist unter Sachbeschädigung und werden auch wenn möglich gerichtlich verfolgt. Die Diskussion, ob es da um Einschränkung künstlerischer Freiheit geht, ist für die Eigner des Beschmierten wohl keine.

Zur Abrundung sei auch noch die künstlerische Aktion im öffentlichen Raum erwähnt. Die reicht von traditionellen Bräuchen der Volkskunst mit weltlichem wie religiösem Hintergrund bis zu spontanen Protestaktionen. Demonstrationszüge wie „Love-Parade“ oder „Vienna Pride“ sind eine aktuelle Ausformung dieses Genres. Wobei da die Kunst eher wie beim Karneval in Rio oder Venedig nur bei der jeweiligen Kostümierung gefunden werden kann.

Dieser Exkurs zeigt, dass wir eigentlich permanent mit Kunst konfrontiert sind. Großteils sicher, ohne dies explizit wahrzunehmen. Das unterstreicht, dass Kunst Teil unseres Lebens ist, die Auseinandersetzung mit dieser zu unserer Kultur gehört. Dem wird auch im Bereich der öffentlichen Förderung Rechnung getragen. So gut wie alle Bundesländer sind da aktiv. Museen beschäftigen sich mit der Thematik und an Kunsthochschulen gibt es sogar das Fach „Kunst im öffentlichen Raum“. Sehen Sie selbst, durchmessen Sie Ihre Umwelt mit offenen Augen.

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